Auswirkung Coronavirus auf Gewerbemietrecht

Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf gewerbliche Mietverträge

Seitdem nun auch innerhalb Deutschlands die Zahlen der mit dem Corona-Virus Infizierten steigen, untersagen Städte und Gemeinden flächendeckend Gewerbetreibenden die Öffnung ihrer Ladenlokale. Die entsprechenden Allgemeinverfügungen werden nahezu täglich drastisch verschärft. Nun wurden jedoch auch auf Bundesebene entsprechende Regelungen getroffen, die in Form von Rechtsverordnungen von den Ländern verbindlich erlassen werden sollen (so etwa der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, in seiner Ansprache vom 22.03.2020). Insoweit würden erstmalig auch weitestgehend einheitliche Regelungen gelten.

Abzuwarten bleibt, wie zügig und in welchem Umfang diese auf Bundesebene beschlossenen Regelungen innerhalb der Länder umgesetzt werden. In der Zwischenzeit haben jedoch alle Bundesländer Rechtsgrundlagen geschaffen, um Ladenlokale zu schließen. Dies hat jedoch zur Folge, dass es aktuell noch unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern gibt, die Vermieter, aber auch Mieter vor große Herausforderungen stellen. Relevant ist vor allem die Frage nach der Aufrechterhaltung des Betriebes. Sofern ein Gastronom, der von einer Schließungsverfügung betroffen ist, seinen Betrieb nun aber nicht mehr in zulässiger Weise fortführen darf, ist vor allem die Frage entscheidend, wie eine interessengerechte Risikoverteilung der anfallenden Kosten erreicht werden kann.

Bereits die von der Stadt Essen beschlossenen Verfügungen sehen eine Schließung von Bars, Diskotheken und Restaurants, welche nicht den Außerhaus-Bedarf decken, vor. Von diesen Schließungsverfügungen ausgenommen sind allein solche Einrichtungen, die als „systemrelevant“ einzustufen sind, mithin also Betriebe, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Ähnlich lautende Allgemeinverfügungen gelten ebenso in anderen Städten und Gemeinden und sind jeweils auf der Internetseite der betreffenden Stadt bzw. Gemeinde abrufbar.

Rechtliche Interessen der betroffenen Ladenbetreiber

In Abgrenzung zu Gewerbetreibenden, die von Veranstaltungsverboten betroffen sind, geht es einem gewerblichen Mieter, der beispielsweise als Gastronom tätig ist, nicht um eine Lösung vom Vertrag mittels einer Kündigung. Denn regelmäßig wird er daran interessiert sein, seinen Betrieb nach Aufhebung der behördlichen Maßnahmen schnellstmöglich wieder aufzunehmen. Vielmehr gilt es daher in rechtlicher Hinsicht zu klären, inwieweit eine Mietminderung erreicht werden kann.

Daneben entscheiden sich auch Einzelhändler und Gastronomiebetriebe, die von den behördlichen Anordnungen ganz oder teilweise ausgenommen sind, aus wirtschaftlichen Gründen zunehmend für eine eigenverantwortliche Schließung. Auch in diesen Fällen gilt es aus Sicht des Mieters zu fragen, inwieweit eine Stundung, Mietreduzierung oder vorübergehende Vertragsanpassung gegenüber dem Vermieter zu erreichen ist.

Primär gelten die vertraglichen Vereinbarungen

Vorrangig sind die speziellen Vereinbarungen des Mietvertrages zur Anpassung des Mietverhältnisses zu prüfen, sofern hierin Regelungen getroffen sind. In den allermeisten Fällen wird eine konkrete Vereinbarung, die eine Krisensituation betrifft, wie die aktuell vorliegende, jedoch fehlen. Daher gilt es die folgenden gesetzlichen Regelungen und Möglichkeiten zu prüfen.

Keine Mietminderung nach § 536 BGB

Eine Mietminderung kommt immer nur dann in Betracht, wenn ein Mangel der Mietsache vorliegt.

Für den Fall, dass der Mieter seinen Betrieb eigenverantwortlich aus wirtschaftlichen Gründen schließt – ohne dass er (teilweise) von einer Schließungsverfügung betroffen ist –, liegt gerade kein Mangel der Mietsache vor. Dieses Risiko, Gewinne zur erzielen, trägt allein der Mieter, sodass er weiterhin den vollen Mietzins zahlen muss, § 535 II BGB.

Sofern eine behördliche Maßnahme zur Schließung des Betriebes zwingt, gilt jedoch nichts anderes. Denn auch diese Variante ändert nichts an den Voraussetzungen des § 536 I 1 BGB. Es ist also auch im Rahmen dieser Fallkonstellation entscheidend, ob das behördliche Verbot einen Mangel der Mietsache begründet.

Behördliche Untersagungsverfügungen rechtfertigen nach der bisherigen Rechtsprechung nur dann die Annahme eines Mangels, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 – XII ZR 189/09). Nicht als Mangel zu qualifizieren sind demgegenüber Nutzungseinschränkungen, die ihre Ursache in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben, da das Risiko der Betriebsart allein der Mieter trägt.

Wie bereits einleitend erwähnt, wird im Rahmen der Schließungsverfügungen zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus danach unterschieden, ob der jeweilige Betrieb für die Grundversorgung der Bevölkerung zwingend notwendig ist oder ob es sich vielmehr um solche Ladenlokale handelt, deren Warenangebot in der aktuellen Ausnahmesituation verzichtbar ist. Daher handelt es sich um rein betriebsbezogene staatliche Eingriffe, die gerade nicht im Zusammenhang mit der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache stehen. Zudem kann der Mieter die zur Verfügung gestellten Mieträume auch weiterhin für interne Zwecke, wie etwa Renovierungsmaßnahmen oder eine Inventur, nutzen. Mangels Vorliegens eines Mangels, besteht hiernach jedenfalls keine Möglichkeit der Mietminderung.

Unmöglichkeit denkbar – je nach Ausgestaltung des Vertrages?

Die meisten gewerblichen Mietverträge regeln neben einer Gebrauchsüberlassung von Gewerbeflächen bzw. – räumen auch einen bestimmten Miet- oder Nutzungszweck. Hierdurch wird der Mieter verpflichtet, die Mietsache ausschließlich im Rahmen dieses Zwecks zu nutzen, während den Vermieter die Pflicht trifft, dem Mieter Gewerbeflächen zum Gebrauch zu überlassen, die für die vertraglich bestimmte Nutzung geeignet sind.

Kann dieser Nutzungszweck, beispielsweise als  nicht systemrelevantes Einzelhandelsgeschäft, infolge einer behördlichen Anordnung nicht mehr erreicht werden, ist an das Vorliegen einer vorübergehenden Unmöglichkeit des Vermieters zu denken, den Mietgegenstand zur vertraglich vereinbarten Nutzung zur Verfügung zu stellen. Spiegelbildlich hierzu ließe diese vorübergehende Unmöglichkeit auch die Gegenleistungspflicht des Mieters – die Zahlung des Mietzinses – entfallen.

Allerdings greift diese Überlegung zu kurz – es geht vorliegend vielmehr um eine „gerechte“ Risikoverteilung, wobei die aktuelle Krisensituation für keine der Vertragsparteien auch nur im Entferntesten vorherzusehen war. Eine solche Risikoverteilung ist am ehesten über § 313 BGB zu lösen.

So lässt sich zugunsten des Vermieters argumentieren, dass es diesem grundsätzlich möglich ist, die Räumlichkeiten für die vereinbarte Nutzung zur Verfügung zu stellen. Damit scheidet ein Vergleich des vorliegenden Falles mit dem Untergang der Mietsache – etwa bei völliger Zerstörung – oder aber mit einem Rechtsmangel – bei entgegenstehenden Rechten Dritter bei einer Doppelvermietung – von vornherein aus. Vergleichbar ist der beschriebene Fall eher mit der Versagung einer gewerberechtlichen Genehmigung: Vorliegend ist dem Mieter die Nutzung der Mietsache für den vertraglich vereinbarten Zweck behördlich untersagt. Prinzipiell wären die Räumlichkeiten aber für den Mietzweck geeignet. Damit liegt ebenso wenig ein Fall der Unmöglichkeit vor.

(Vorübergehende) Vertragsanpassung über § 313 BGB

Letztlich denkbar wäre eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Nach dieser Vorschrift kann jede Partei Vertragsanpassung verlangen, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss so schwerwiegend verändert haben, dass ein Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung nicht zumutbar ist. Die Geschäftsgrundlage setzt sich aus den erkennbaren Vorstellungen beider Parteien zusammen. Der Umstand, der hier nach den Parteivorstellungen zur Grundlage des Geschäfts geworden ist, ist die Nutzbarkeit der Mietsache für den vertraglich vorgesehenen Zweck. Als „reales Element“ müssen sich nachträglich die tatsächlichen Umstände derart verändern, dass sich dies auch auf die ursprüngliche Parteivorstellung auswirkt. Denn hätten die Parteien schon beim Vertragsschluss die aktuellen Entwicklungen gekannt, hätten sie den Vertrag nicht oder nicht mit dem tatsächlichen Inhalt geschlossen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Parteien sind bei Abschluss des Mietvertrages noch nicht von flächendeckenden Schließungsverfügungen für bestimmte Betriebszweige von Behördenseite ausgegangen und hätten sie diese vorhersehen können, hätten sie womöglich entsprechende Minderungsmöglichkeiten o. Ä. im Vertrag vereinbart, sofern dieser überhaupt zustande gekommen wäre.

Einschränkend muss jedoch als weitere Voraussetzung ein „normatives Element“ erfüllt sein. Eine Vertragsanpassung scheidet nämlich in den Fällen aus, in denen die Veränderung des relevanten Umstands in die Risikosphäre einer der Vertragsparteien fällt. Nun könnte man zwar davon ausgehen, dass der Mieter grundsätzlich das Risiko der im Vertrag vorausgesetzten Verwendung der Mietsache zu tragen hat. Etwas anderes muss jedoch im vorliegenden Fall gelten: Beim Erlass einer Untersagungsverfügung zulasten eines Betriebes, welchen die Behörde als „nicht systemrelevant“ einstuft, wird man vielmehr annehmen müssen, dass ein allseits unvorhersehbarer Geschehensverlauf stattgefunden hat, der gerade nicht in den alleinigen Risikobereich des Mieters fällt. Denn dieser Sachverhalt ist nicht mit dem allgemeinen unternehmerischen Risiko des Mieters gleichzusetzen, wie etwa Umsatz und Gewinnerwartung. Anerkannte Fallgruppen einer Störung der Risikoverteilung – bei welchen eine Korrektur über § 313 BGB stattfindet – sind etwa auch schwerwiegende Störungen durch Maßnahmen staatlicher Wirtschaftslenkung. Ein vergleichbarer Fall liegt auch im Rahmen von umfassenden Schließungsverfügungen gegenüber Gastronomen oder Hoteliers vor. Diese staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus liegen gänzlich außerhalb des Einflussbereichs des Mieters, treffen vielmehr die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik und stehen darüber hinaus nicht in direktem Zusammenhang mit der Art des Geschäftsbetriebes oder der Person des Mieters.

Schlussfolgerung

Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass eine Anpassung des Vertrages über § 313 BGB in denjenigen Fällen in Betracht kommt, in denen vertraglich nichts spezielleres vereinbart ist, insbesondere die Anwendbarkeit von § 313 BGB nicht ausgeschlossen ist und die Nutzung der Mieträume in der konkreten Weise durch behördliche Verfügung untersagt ist.

Der Vermieter trägt zudem das Vermarktungsrisiko für die Mietsache. Da die Mietsache für den relevanten Zeitraum bei Kenntnis der staatlichen Maßnahmen  ohnehin nicht anderweitig hätte vermietet werden können – gegebenenfalls nur unter Einräumung entsprechender Minderungsrechte – erscheint dieses Ergebnis auch für den Vermieter nicht unbillig.

Ausblick

Zu raten ist betroffenen Vertragsparteien daher, eine einvernehmliche für beide Seiten akzeptable und interessengerechte Lösung zu finden. Immerhin werden in den meisten Fällen beide Parteien ein Interesse daran haben – nach Aufhebung der staatlichen Maßnahmen – ein gesundes Mietverhältnis auch für die Zukunft weiter bestehen zu lassen. In Betracht zu ziehen sind einerseits einvernehmliche Mietreduzierungen für beispielsweise zwei bis drei Monate, andererseits aber auch Stundungsvereinbarungen.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Abhilfe geschaffen. So ist u. a. das Mietrecht dergestalt angepasst werden, dass sowohl private als auch gewerbliche Mieter von Grundstücken oder Räumen vor den indirekten Folgen der COVID-19 Pandemie geschützt werden sollen. Dem Vermieter soll jedenfalls wegen ausbleibender Mietzahlungen kein Kündigungsrecht zustehen, soweit es um fällige Mieten im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 geht. Zusätzliche Voraussetzung nach der aktuellen Rechtlage ist, dass das Ausbleiben dieser Zahlungen auf den Auswirkungen der COVID-19 Pandemie beruht, was von Seiten des Mieters glaubhaft zu machen ist. Dabei soll auch der Verweis auf die behördliche Schließung bzw. die erhebliche Einschränkung des Betriebes möglich sein.

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